Der aus dem Französischen stammende Begriff „Salon“ besitzt mehrere Dimensionen. Neben dem räumlichen Aspekt eines ansehnlichen Aufenthaltsraumes für Besuch, verlieh ihm ein kurzlebiges Phänomen auch eine intellektuelle Dimension. Ursprünglich in Frankreich etabliert, meinte der Pariser Salon zunächst eine bekannte öffentliche Kunstausstellung. Mit der Etablierung von Salons im deutschsprachigen Raum ging ein Bedeutungswandel des Salon-Begriffs einher. Im 18. und 19. Jahrhundert zählte ein kleiner Teil der intellektuellen Elite sich zu Mitgliedern wissenschaftlich oder literarisch orientierter Salons. In diesem Fall beschreibt Salon nicht den Raum, sondern die dort stattfindende Zusammenkunft und den geistigen und intellektuellen Austausch der Teilnehmenden. Auch der Begriff „salonfähig“ bezog sich ursprünglich auf das gesellschaftliche Renommee von Personen, denen es erlaubt war, in den Salons zu verkehren.

Wie viele Salons gab es?

Das Phänomen Salon war, sowohl was die Teilnehmenden als auch die Verbreitung und räumliche Verortung angeht, eine denkbar kleine Erscheinung, aber eine mit überraschend großer Strahlkraft. Obwohl die Salons in privaten Räumlichkeiten mit kleinem Teilnehmerkreis stattgefunden hatten, beschäftigten sie sowohl Zeitgenossen als auch später die historische Forschung. Die große Privatsphäre, die Geheimnistuerei über Besprochenes sowie der hohe gesellschaftlicher Stand mancher Teilnehmenden haben zur Bekanntheit der Salons beigetragen und erhalten bis heute die Faszination mit der Salonkultur aufrecht.

Die Wahrnehmung in der Wissenschaft heute

Da es sich um ein räumlich und zeitlich eng begrenztes Phänomen der gesellschaftlichen Oberschicht handelte, blieb der Zugang Personen von höherem Stand, literarischem oder wissenschaftlichem Einfluss sowie Personen mit hochrangigen Beziehungen vorbehalten. In der Forschung ist, neben der Frage über den Inhalt, die Teilnehmenden und die Verortung des Salons auch in den letzten Jahren die allgemeine Frage aufgekommen, ob es das Phänomen des Salons im eigentlichen Sinne gab, oder ob die wenigen Salons zu sehr zeitlich, räumlich und thematisch auseinanderlagen, um sie dem gleichen Konzept zuzuordnen. Sofern es im deutschsprachigen Raum ein Zentrum der Salonkultur gegeben haben mag, lag dieses in Berlin, die Größe und relative Offenheit der Stadt erlaubten und verzieh viel eher den Austausch über mehrere Gesellschaftsstände hinweg, als dies in ländlichen Regionen möglich gewesen wäre.

Generell scheint die Begeisterung über die scheinbare Emanzipation von Frauen als Salonièren zu einer Überschätzung der Bedeutung des Phänomens zu führen, daher ist zur richtigen Einordnung notwendig zu erwähnen, dass die Salonkultur weder einen gesellschaftlichen Wandel noch signifikante Veränderungen für die Nicht-Teilnehmenden verursachen konnte.

Frauen, Bildung und gesellschaftlicher Stand

Für die weiblichen Teilnehmerinnen der Salons und die Leiterinnen, die sogenannten Salonièren oder Salondamen, waren die Salons ein wichtiger Ort, um sich mit Personen auszutauschen, mit welchen sie in ihrem Alltag andernfalls wenige oder gar keine Berührungspunkte gehabt hätten. Die musisch-literarische Bildung, welche den Frauen der Oberschicht zunehmend ermöglicht wurde, befähigte sie zur Teilnahme und zum Austausch mit Dichtern, Naturwissenschaftlern, und teils sogar dem niederen Adel. Salonièren wie Fanny Lewald stammten häufig aus bildungsorientierten Familien, hatten teils die Mädchenschule besucht oder sogar das Privileg, Hauslehrer in verschiedenen Fächern zu haben. Für viele von ihnen war die Bildung ein entscheidender Faktor, um sich und ihre Salons in der Gesellschaft zu etablieren.

Da die Frauen weder über ein Universitätsstudium verfügten (im deutschsprachigen Raum erst ab Beginn des 20. Jahrhunderts möglich), noch häufig weit gereist waren, fanden sie in den Büchern und zeitgenössischen Gedichtbänden ein Medium, über welches sie mit den Männern auf Augenhöhe diskutieren konnten. Zudem standen sie als Gastgeberinnen im Zentrum der Salonkultur und wurden hierfür geachtet. Obwohl einige erhaltene Karikaturen die Salonièren belächeln oder verspotten, hatten sie in der Regel eine positiv konnotierte Sonderstellung innerhalb ihres Freundeskreises und ihrer weitreichenden Bekanntenkonstellation inne. So äußerte sich der Schriftsteller und Dichter Heinrich Heine außerordentlich positiv über Fanny Lewald, sie sei die einzige Frau gewesen, mit welcher es ihm möglich sei, auf Augenhöhe über Politik und Kultur zu diskutieren.

Die Einladung

Die Salons waren, trotz des differenzierten und diversen Publikums, ein streng exklusives Phänomen, welches zumeist in den privaten Räumlichkeiten der Salonièren stattgefunden hatte. Entsprechend waren Einladungskarten vonnöten, welche von den Salonièren an ihren engsten Kreis versandt wurden und welche neben Zeit und Ort des Salons auch weitere Details zum Ablauf enthalten konnte. Eine Teilnahme ohne direkte Einladung war somit so gut wie unmöglich. Im Falle des Salons von Fanny Lewald ist beispielsweise bekannt, dass sie die Teilnehmenden auch verköstigte, so beklagt sie sich in ihrer Autobiografie über die hohen Kosten als Gastgeberin.

Der Ablauf eines Salons

Der genaue Ablauf der Salons bleibt im Dunkeln und variiert zudem, je nach Ausrichtung des Salons, sehr stark. In wissenschaftlich geprägten Salons waren klassische Vorlesungen und Vorträge gang und gäbe, erst nach Beendigung dieser ging man in den informellen Wissensaustausch über. Nicht selten waren hierbei auch Studierende der Universitäten anwesend, um ihren Professoren zu lauschen. Gänzlich anders mögen die literarischen Salons ausgesehen haben, neben Buchbesprechungen wurden Gedichte verlesen, eigene Texte vorgestellt oder gemeinsam musiziert. Während Rahel Varnhagen von Ense zu Butterbroten und Tee in ihre Dachstube einlud, beinhaltete eine Einladung von Therese von Bacheracht Bier und Zigarren, entsprechend trug jeder Salon die individuelle Handschrift seiner Salonière.

Aufzeichnungen wie jenen der Salonièren Fanny Lewald und Henriette Herz ist es zu verdanken, dass Einblicke in den Ablauf und die Gestaltung der Abende erhalten geblieben sind. In Ihren Aufzeichnungen lassen sich jene Details nachvollziehen, welche sie bereit war, mit der Nachwelt zu teilen.

Über die Räumlichkeit hinaus: Literaturkreise und Brieffreundschaften

Aus den Salons heraus entwickelten sich nicht selten langjährige Freundschaften, welche religiöse und gesellschaftliche Differenzen zu überbrücken vermochten. Der besondere Reiz dieser, oftmals in Briefform gelebten, Freundschaften war der Austausch über romantische Naturbetrachtungen, gesellschaftliche Erwartungen und Literatur. In Briefen wurde sagbar, was in Gegenwart von Personen außerhalb des innersten Zirkels unaussprechbar war, nicht selten folgten Briefe somit vorab festgelegten Codes oder wurden nach der Lektüre vernichtet.

Berühmte Beispiele

Die Tatsache, dass das Phänomen der Salons in der Forschung derart große Publikationen und vertieftes Interesse erfahren hat, ist vor allem prominenten Persönlichkeiten zu verdanken, welche eigene Salons leiteten oder sich offen als Besuchende der Salons zu erkennen gaben. Die Liste aller bekannten Salons im deutschsprachigen Raum dürfte hingegen nicht vollzählig sein, Salons mit geringerem Bekanntheitsgrad sind aufgrund fehlender Schriftquellen deutlich schlechter belegt und erforscht.

Die Brüder Humboldt

Mit ihrer Bekanntheit als Wissenschaftler und Schriftsteller genossen die Brüder Humboldt großes Ansehen und waren beliebte Gäste für Vorträge und wissenschaftliche Diskurse, sowohl im universitären als auch im privaten Kontext. Auch in literarisch geprägten Salons waren Alexander und Friedrich von Humboldt überraschenderweise gern gesehene Gäste und zeigten sich versiert im Austausch über literarische und musische Werke sowie über die zeitgenössische Kunst. Beide verkehrten beispielsweise in den Salons von Henriette Herz oder Rahel Varnhagen von Ense.

Rahel Varnhagen von Ense

Kein Beitrag über die deutsche Salonkultur ist vollständig ohne zumindest eine Anmerkung über Rahel Varnhagen von Ense, die wohl bekannteste Salondame ihrer Zeit. Sie empfing in ihren Salons Wissenschaftler wie die Humboldt-Brüder oder den Schriftsteller Friedrich Schlegel und verband somit verschiedenste Persönlichkeiten und wissenschaftliche Disziplinen auf engstem Raum. Die einzigartige Vernetzung Rahels über religiöse und gesellschaftliche Grenzen ist in einer mehrbändigen Gesamtausgabe ihrer Briefe überliefert.

Die teils ein Leben anhaltenden Brieffreundschaften mit Dichtern, Adligen und Wissenschaftlern verfügen über eine hohe literarische Qualität und erlauben wertvolle Einblicke in das Denken und Wirken der Netzwerkerin Varnhagen als Salonière, besonders da die Unterhaltungen im Salon für die Nachwelt nicht mehr fassbar sind. Trotz der Zensur der Briefe durch ihren Ehemann nach ihrem Ableben, zeigt sich hier die wahre Stärke der Salonièren; das Einfühlungsvermögen in jede der teilnehmenden Personen, die Fähigkeit, auf hohem Niveau Konversation zu führen sowie die Loyalität den Teilnehmenden gegenüber, lang über die eigentliche Versammlung im Salon hinaus.

Marcus Herz

Marcus Herz verdankte die hohe Popularität seines wissenschaftlichen Salons vor allem seiner Tätigkeit als Arzt. Hierdurch hatte er sich eine Beliebtheit und einen großen Bekannten- und Freundeskreis innerhalb der Berliner Gesellschaft erarbeitet. Einen konkreten Plan zur Etablierung eines Salons in seinem Wohnhaus kann seine Frau in ihrer Autobiografie jedoch nicht erkennen, vielmehr ging dies beinahe zufällig vonstatten. Zunächst hielt er nur philosophische Lesungen in seiner privaten Wohnung ab, nach welchen er ausgewählte Gäste abschließend zum Abendessen einlud. Einmal etabliert, entstanden hieraus schnell auch Vorlesungen über Physik, welche er, begleitet von ausgewählten Experimenten und Demonstrationen, einem stetig wachsenden Publikum demonstrierte. Diese wurden, laut seiner Frau, von Personen mit höchstem gesellschaftlichen Stand besucht und erhöhten zudem die Bekanntheit des Salons. Für Henriette Herz standen hingegen Literatur und Kunst im Fokus ihrer Betrachtungen, sodass sie einen eigenen Salon parallel zu jenem ihres Mannes etablieren konnte, womit der Doppelsalon des Ehepaares Herz eine seltene Kombination aus wissenschaftlichem und literarischem Salon darstellt, welcher seinesgleichen suchte.

Fanny Lewald

Als publizierte Schriftstellerin ist Fanny Lewald deutlich besser erforscht als Salonière. Ihre Romane widmeten sich gesellschaftlich bedeutsamen Themen und wurden, aufgrund ihrer thematischen Brisanz, in der Regel anonym publiziert, ihren ersten Roman „Clementine“ widmete sie entsprechend dem Thema der Vernunftehen und positionierte sich klar gegen diese beliebte gesellschaftliche Praxis. Ab 1847 führe sie hingegen auch ihren eigenen Salon und bereicherte hierdurch die gesellschaftliche und literarische Landschaft Berlins.

Politiker und Schriftsteller gehörten zu den Anwesenden, zudem widmete sich Lewald im Kontext ihres Salons der Förderung des literarischen Nachwuchses, bei ihren Montagabenden waren beispielsweise Theodor Fontane und Paul Heyse sowie Gottfried Keller zu Gast. Sie führte streng ein Buch über die Kosten des Salons, nicht nur über die kulinarischen Aspekte, sondern auch über die Kosten für Heizung und Wasser und erlaubte der Forschung hierdurch einen denkbar unromantischen, aber realistischen Einblick in die Kosten und den Alltag als Salonière. Als spätes Beispiel eines literarischen Salons folgte sie in der Tradition von Rahel Varnhagen von Ense und Henriette Herz, was die große Beliebtheit ihres Salons zu erklären vermag.

Was bleibt? Salons damals und heute

Religiöse und gesellschaftliche Konflikte sowie Kriege und Veränderungen in der literarischen Landschaft sorgten unter anderem dafür, dass die literarischen und wissenschaftlichen Salons bald der Vergangenheit angehörten. Mit Zulassung der ersten Frauen an den Universitäten und einer schrittweisen Verbesserung der Mädchen- und Frauenbildung gab es mehr und mehr Wege für Frauen der gesellschaftlichen Oberschicht, sich selbst Bildung anzueignen.

Diesen Wegbereiterinnen folgten auch, zunächst einzeln, später in größeren Zahlen, Frauen aus den anderen Gesellschaftsschichten. Was die Salonkultur im Kleinen angedeutet hatte, wurde nun einer zunehmend größeren Anzahl an Frauen möglich: der Austausch und die Aneignung von Wissen. Wurden die Salons also schlichtweg obsolet? Ganz so eindeutig gestaltet sich die Lage nicht. Immer wieder gründeten sich, bis heute, Zirkel zum informellen literarischen und wissenschaftlichen Austausch, in Anlehnung an die Salonkultur des 18. und 19. Jahrhunderts werden diese auch häufig noch als Salons bezeichnet. Die Faszination am Konzept Salon überlebt somit auch noch Jahrhunderte, nachdem Rahel Varnhagen von Ense ihren letzten eigenen Salon abgehalten hatte.

Fazit

Der informale Wissensaustausch im Rahmen von wissenschaftlichen und literarischen Salons mag ein kurzlebiges Phänomen gewesen sein, der Gedanke, sich zum Wissensaustausch zu versammeln, lebt hingegen noch heute fort, in Buchclubs, Vereinen und Organisationen. Auch die Salondamen und ihre Besucher werden nach wie vor gewürdigt, nach ihnen werden Straßen benannt, Ausstellungen zu ihrem Leben und Wirken konzipiert und wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht.

Der wissenschaftliche und literarische Diskurs verlagerte sich in den vergangenen Jahren zudem verstärkt ins Internet, über Social Media, Blogs und Websites erhält der Diskurs inzwischen längst eine globale und internationale Dimension, von welcher die Salonièren des 18. und 19. Jahrhunderts nur träumen konnten.