Die Ausstellung präsentiert ein interdisziplinäres, seit 2022 fortlaufendes Projekt der Künstlerin María José Arjona (geb. 1973 in Bogotá, Kolumbien), im dem sie Videoarbeiten, Klangkompositionen, Zeichnungen, Partituren, Fotografien und ein Manuskript zusammenführt, um Politiken des Erinnerns, der Bewegung und des Zusammenlebens zu erforschen. Die mediale Diversität der einzelnen Bestandteile der Präsentation reflektiert die künstlerische Praxis Arjonas, die als Performancekünstlerin Resonanzund Bewegungsräume in unterschiedlichen, simultan eingesetzten formalen Sprachen erschließt und bespielt. Wie kann Bewegung in Text übersetzt werden? Was hat das Einfangen von Wasser im Bild mit dem Schaffen von Klangkompositionen gemein? Und welche Neuverknüpfungen ergeben sich, wenn Fragmente einer Naturbeobachtung und die einer Tanzpartitur aufeinandertreffen?
Die gezeigten Werke versammeln Arjonas langjährige Recherchen zu Wasser, Lebensräumen und KlangÖkologien, entwickelt in unterschiedlichen geografischen und politischen Kontexten – darunter Flüsse wie Magdalena, Guaviare, Palomino, Amazonas und Cauca in Kolumbien, der Hudson und Miami River in den USA sowie die Spree in Berlin. Die siebenteilige Video-Komposition Rio/River aus dem Jahr 2025 verbindet Bewegtbildstudien der oben genannten Orte mit bis ins Extrem abstrahierten Klanglandschaften. Für Momente erinnert das Gehörte an natürliches Leben, wie etwa an Vogelstimmen, gefolgt von Klängen tiefer, dunkler Bässe, die elektronischer Musik ähneln. Diese Untersuchungen von Bild und Ton münden in ein Werk, das sowohl materiell als auch konzeptuell fließend ist und das Interesse der Künstlerin an den Verflechtungen zwischen Körpern, Umwelten und Lautbasierten Ökosystemen widerspiegelt.
An den Titel der Ausstellung anlehnend, erstreckt sich über die Länge des Raumes eine Konstellation von Arbeiten auf Papier und bildet – Sedimenten ähnelnd - einen Fluss verschiedener Aufzeichnungen, eine Erzählung ineinander verflochtener Stimmen. Es sprechen die Windungen des Wassers mit den Bewegungsabläufen der Körper im Raum, den Kadavern ertrunkener Tiere und den Worten der Künstlerin: To move non-linearly is to match sediment’s logic (Die nicht-lineare Bewegung folgt der Logik des Sediments).
Ein weiteres zentrales Element der Ausstellung ist das in die Konstellation eingewobene Manuskript, das hier erstmals in abgeschlossener Form präsentiert wird. Es hebt die bislang kaum beachtete Rolle von Text und Schreiben in Arjonas künstlerischer Praxis hervor. Wie die anderen Werke in der Ausstellung ist auch dieses Manuskript Teil eines größeren, offenen Prozesses. Ende des Jahres wird das Werk im Rahmen der Bienal de Arte Paiz in Guatemala performativ aktiviert und weiterentwickelt – als lebendiges Archiv.
Ausgehend von Performance, ökologischem Denken und Archivtheorien versteht das stetig anwachsende Projekt von María José Arjona das Archiv nicht als statische Bewahrungsstätte, sondern als elastisches, lebendiges Feld, das durch choreografische Aufmerksamkeit aktiviert wird. Die Arbeit dokumentiert nicht – sie hört zu; legt nichts fest – sie gibt Orientierung.
María José Arjona ist Performancekünstlerin. Ihre interdisziplinäre Praxis versteht Zeit als schöpferische Kraft in der Gestaltung sozial-affektiver Strukturen. Das Archiv begreift sie nicht als Speicher des Vergangenen, sondern als lebendige Schnittstelle für kollektive und horizontale Zukunftsentwürfe. Mit einem Hintergrund in zeitgenössischem Tanz und LangzeitPerformance integriert sie Klang, Zeichnung, Bewegung und experimentelles Schreiben in choreografische Umgebungen, die Wahrnehmung und Erinnerung durch verkörperte Aufmerksamkeit aktivieren. Derzeit ist sie Stipendiatin des Berliner Künstlerprogramms des DAAD (2024–2025).
(Kuratiert und text von Melanie Roumiguière)