Sowohl Archive als auch Orbits bergen Fragmente von Wissen, Geschichte und den unsichtbaren Kräften, die sie formen. So wie ein Stein ein einfaches Objekt oder etwas Profunderes sein kann, dokumentiert das Künstler:innenatelier oft persönliche Archive, die eine komplexe Topographie erlebter Erfahrungen und materieller Explorationen bilden. Diese sind zwar nie fixiert, sondern bilden einen zarten Tanz, bei dem Informationen und Interpretationen elliptische Bahnen durch die Zeit ziehen. Was ein Archiv von einem simplen Sammelsurium unterscheidet, ist der gezielte Akt der Auswahl, Anordnung und Bewahrung – die Art und Weise, wie wir eine Konstellation von Dingen, Ideen und Formen festhalten und abbilden, bevor sie verblassen. Ein Archiv ist oft ein Ort, an dem Bedeutung kontinuierlich neu interpretiert wird, dynamisch und doch verfolgt von dem, was es nicht enthält. Nicht nur eine Aufzeichnung der Vergangenheit, sondern auch ein Instrument für die Zukunft.
Diese Ausstellung versammelt fünf künstlerische Positionen, die sich auf sehr unterschiedliche Weise mit den Themen Ordnung, Bewahrung, Erinnerung und Zeit auseinandersetzen. In Malerei, Skulptur und Fotografie zeigt diese Gruppenausstellung, dass wir Archivare und Archive sind, die sich in ewigen Bahnen bewegen, Fragmente von Erfahrungen ordnen, bewusste Spuren hinterlassen und andere ausradieren.
Katja Davar zeigt Werke aus der Serie To perch. Diese Serie befasst sich mit den Wanderbewegungen von Vögeln rund um die Welt, die durch geografische und kulturelle Grenzen definierte Landschaften durchqueren. Sie setzt sich mit der Bildsprache technologischer und natürlicher Systeme auseinander und zeigt mit neuen sphärischen Zeichnungen unbekannte, aber dennoch referenzielle Welten. Die beiden hängenden Globen zeigen die Verflechtung organischer und synthetischer Systeme, die aus verschiedenen visuellen Quellen stammen.
Flo Maak präsentiert eine Reihe neuer Assemblagen mit dem Titel naturalscenerycrop sowie Fotografien, die die Verflechtung von menschengemachten Strukturen und Objekten mit der natürlichen Umwelt untersuchen. Die Assemblagen basieren auf Bildern von geologischen Strukturen, meist vulkanischen Ursprungs. Die Wahl des Materials Leinen verweist sowohl auf traditionelle Darstellungsformen in Naturkundemuseen als auch auf die westliche Tradition der Wissensbewahrung. Mit Leinen bespannte Holzleisten rahmen die Motive ein und lenken den Blick auf den Akt des Einrahmens, Beschneidens und Aneignens von Landschaft durch die Fotografie.
Christa Näher zeigt ein Selbstporträt aus dem Jahr 2022 mit dem Titel 1947, ihrem Geburtsjahr. Diese Arbeit ist ein komplexes Gemälde, das mehrfach überarbeitet wurde. Näher beschäftigt sich in ihren Arbeiten häufig mit Themen der menschlichen Existenz, indem sie Kreaturen und Kindheitsängste darstellt, die sie seit ihrer Geburt begleiten. Als Kind war Näher mit vielen der von ihr gemalten Kreaturen vertraut, und ähnlich wie Pier Paolo Pasolini legt sie in ihren Arbeiten die Ängste, die sie damals empfand, offen und seziert sie. 1947 ist ein Porträt ihrer Geburt und ein einzigartiges Werk in Näher's Œuvre, eine Anspielung und Reflexion auf ihr persönliches Archiv.
Sonya Schönberger beschäftigt sich mit Erinnerung, Geschichte und den Auswirkungen historischer Ereignisse auf Individuen und Gesellschaft. Anhand von Interviews, Archiven und Fundstücken untersucht sie persönliche und kollektive Narrative. Sonya Schönbergers Skulptur Dismissed besteht aus mehreren hundert Schlüsseln, die aus einer ehemaligen Kaserne der Nationalen Volksarmee (NVA) und der Volkspolizei in Brandenburg stammen. Ihre Arbeit Weißenfels ist eine Serie von Fotografien von Eingängen und Schaufenstern in der Stadt Weißenfels, die geschlossen und verlassen sind. Sie zeigen Überreste eines nicht mehr existierenden Staates, der DDR, und werfen Fragen darüber auf, was man behalten und was man wegwerfen sollte.
Christoph Westermeier zeigt neue Arbeiten aus der Serie Die pappel im wind. Diese Werkserie konzentriert sich auf Ernst Heimrath (1905–1945), einen Schauspieler und Tänzer, der von der Theatergeschichte weitgehend vergessen wurde. Heimrath kämpfte sich als Statist durch, bevor er seine eigenen Choreografien schuf und fotografierte. Christoph Westermeier untersucht Heimraths Leben anhand von Archivfragmenten und verbindet Text und Fotografie in einer medienkritischen Filmcollage. Die Arbeit bietet Einblicke in ein nonkonformes Leben im frühen 20. Jahrhundert.