Überall auf der Welt sind Städte ständig im Wandel. Dabei ändert sich der Fokus in der Stadtplanung je nach zeitgeschichtlicher Entwicklung. Zurzeit wird in vielen Städten zunehmend der Umweltverbund, d.h. eine Kombination aus Fahrrad, zu Fuß und öffentliche Verkehrsmittel, beworben und gefördert. Das hat gute Gründe. In den vergangenen Jahrzehnten führte das Mantra zu immer mehr Autoverkehr, Umweltbelastung oder Lärm. Auch wenn das Auto seine Daseinsberechtigung hat, führte das Mantra der autogerechten Stadt zu immer mehr Problemen wie steigender Verkehr, Umweltbelastung oder Lärm. Um diesen Problemen zu begegnen sind Stadtplaner*innen dazu übergegangen Städte und Stadtteile mit weniger Autos zu planen und stattdessen den Menschen den Vorzug zu geben. Warum aber sind Städte heute so strukturiert, wie sie es sind?

In antiken Städten war meist eine Stadtmauer zum Schutz der Stadt charakteristisch. Eine Festung bildete zudem das Zentrum für Religion und Verwaltung. Im Barock wurde der Fokus hingegen auf Gebäude zur Repräsentation für die Monarchen gelegt, sowie auf lange Alleen, sternförmige Straßennetze, imposante Plätze und geometrische Parks und Gärten1. In der Zeit vor der Eisenbahn wurden die Landschaften von kleinen und mittelgroßen Städten geprägt, die in enger Verbindung zueinander standen2. Als schließlich die Eisenbahn ihren Siegeszug antrat, wurde die gefühlte Distanz zwischen diesen Städten immer kürzer. Allerdings gab es noch keinen motorisierten Verkehr, weshalb die Städte eine natürliche Grenze hatten: Gebäude mussten in erreichbarer Nähe zum Bahnhof sein3.

Auch in Deutschland gab es bereits zur Kaiserzeit eine Verkehrsinfrastruktur, auch wenn diese zumeist unter schlechter Qualität litt4. Das Zeitalter der Massenmotorisierung führte schließlich zu der Struktur der Städte, wie wir sie heute kennen. Es begann in den 1920ern in den USA, während es in Deutschland erst in den 1960er Jahren startete. Die Massenmotorisierung wurde begünstigt durch die Ausweitung der Verkehrsinfrastruktur, die auf günstigem Öl basierte und einem Anstieg von materiellem Wohlstand basierte5. Im eigenen Fahrzeug, d.h. ohne externe Dienstleister, von A nach B zu kommen, war attraktiv. Gemeinsam mit technologischem Fortschritt, war der Siegeszug des Autos unaufhaltbar.

Die Struktur heutiger Städte ist stark beeinflusst von den Ideen der Architekt:innen und Stadtplaner:innen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, insbesondere von der Charta von Athen aus dem Jahr 1933. Sie wurde von Mitgliedern des International Congress for Modern Architecture (CIAM) entwickelt. Der CIAM wurde im Jahr 1928 von 24 Architekt:innen gegründet, mit dem Ziel die urbanen Entwicklungen aus dem 19. Jahrhundert neu zu gestalten. Der Architekt Le Corbusier spielte dabei eine tragende Rolle. Die Konferenz, welche die Charta von Athen entwickelte, untersuchte die Defizite von 33 Städten und versuchte Lösungen dafür zu entwickeln. Die dominanten Probleme der damaligen Städte waren, dass sie eine sehr große Bevölkerungsdichte aufwiesen, die Lebensumstände unhygienisch bis gesundheitsschädlich waren und die Städte vollkommen dem Verkehr und der Industrie überlassen wurden. Als Lösung dieser Defizite wurde der urbane Raum in vier funktionale Bereiche aufgeteilt: Wohnen, Arbeiten, Erholung und Mobilität. Die Voraussetzungen jedes Bereiches stellen dabei gleichzeitig auch seine Lösungen dar: Im Bereich Wohnen ist die Voraussetzung beispielsweise, dass die Luft nicht verpestet ist, weshalb die Lösung hierfür ist, Wohngebiete in den dafür attraktivsten Teilen der Stadt zu bauen, wobei keine Häuser an Hauptverkehrsstraßen geplant werden. Trotzdem sollte der Wohnbereich aber in der Nähe des Funktionsbereichs Arbeit angesiedelt sein. Beide sollten deshalb mit Hilfe von Grüngürteln voneinander getrennt sein. Fußgänger:innen sollen außerdem baulich getrennt von Fahrbahnen gehen können6. Vorerst blieb die Idee der Funktionalen Stadt jedoch nur Theorie. Der zweite Weltkrieg änderte dies.

Die durch den Krieg zerstörten Städte gaben Stadtplaner:innen die Möglichkeit, Städte von Grund auf neu zu planen. Häufig, insbesondere in England, konnten sich dabei die Mitglieder des CIAM verwirklichen7. Die wachsende Nachfrage nach Autos führte zu einer immer höheren Nachfrage nach Platz, um die Autos zu fahren und zu parken. Nach Ende des zweiten Weltkrieges konzentrierte sich die Stadtplanung auf Architektur für Hochgeschwindigkeiten, was in diesem Fall hohe Gebäude und schnelle Straßen bedeutete8. Dies war auch der Grund, weshalb die Interessen von Fußgänger:innen als schwächste Verkehrsteilnehmer:innen immer mehr ins Hintertreffen gerieten.

Rückblickend auf das 20. Jahrhundert, waren die Planungskonzepte des CIAM in der westlichen Welt dominierend9. Während es vor dem Krieg noch kleinräumliche Strukturen gab, wurden diese nach dem Krieg aufgebrochen. Die Folge waren immer größere alltägliche Distanzen, die nicht mehr zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden konnten und so die Stadtzentren verödeten10. Außerdem kamen Straßen und Plätze, die von Menschen belebt wurden, nach und nach außer Mode und wurden sogar als unnötig betrachtet11. Die Aufteilung einer Stadt in vier Funktionsbereiche berücksichtigt jedoch nicht oder nicht ausreichend die politischen oder kulturellen Funktionen der Stadt12. Diese einseitige Betrachtung der Stadt führte zu vielen Problemen. Hierzu gehören die erwähnten verödeten Innenstädte, Verkehrslärm oder die ungerechte Verteilung der externen Kosten des Verkehrs insbesondere an sozial benachteiligte Menschen.

Um diesen Problemen zu begegnen, muss sich Struktur der Städte wieder ändern. Viele Städte in Deutschland haben sich bereits auf den Weg gemacht, was die Vielzahl an neuen Mobilitäts- und Klimaschutzkonzepte beweist. Allerdings zeigt die politische Realität, dass eine Umsetzung dieser Konzepte, die mit einer Reduzierung des Pkw-Verkehrs einhergeht, noch eine große politische und gesellschaftliche Herausforderung ist.

Anmerkungen

1 Ellis, C. (n.d.). History Of Cities And City Planning.
2 Hoffmann, R. (1963). Die Rolle des Verkehrs im Stadt-Land-Verhältnis. Studium Generale: Stadtprobleme, 16(11), 652-659.
3 Mumford, L. (1961). Die Stadt: Geschichte und Ausblick. Köln/Berlin: Kiepenheuer & Witsch: 588.
4 Flik, R. (2001). Von Ford lernen? Automobilbau und Motorisierung in Deutschland bis 1933. Köln: Böhlau Verlag: 63.
5 Schindler, J., Held, M. and Würdemann, G. (2009). Postfossile Mobilität: Wegweiser für die Zeit nach dem Peak Oil. Verlag für Akademische Schriften: 28.
6 Mumford, E. (1992). CIAM urbanism after the Athens charter. Planning Perspectives, 7(4), 391–417.
7 Mumford, E. (1992). CIAM urbanism after the Athens charter. Planning Perspectives, 7(4), 391–417.
8 Gehl, J. (2015). Städte für Menschen. Berlin: jovis Verlag: 74.
9 Tungare, A. (2001). Le Corbusier’s Principles of City Planning and Their Application in Virtual Enviroments. Carleton University, Ottawa.
10 Dutkowski, D. (2012). Urbane Transitformation. Technische Universität Wien.
11 Gehl, J. (2015). Städte für Menschen. Berlin: jovis Verlag: 40f.
12 Mumford, E. (2001). Shaping American urban public space from CIAM to new urbanism. FAUUSB Lecture 15. Mai 2001.