Anlässlich ihrer Retrospektive im Museum der Moderne Salzburg im Sommer 2018 schaffte Anna Boghiguian vor Ort die Installation des spektakulären Segels mit dem Titel Handel + Vögel für das Atrium im Rupertinum. Während ihres Aufenthaltes in Salzburg bestickte die Künstlerin das historische Schiffsegel, das sie in Kairo, in Ägypten, erwarb mit bemalten Stoffen. Darin greift sie den Welthandel mit Rohstoffen auf, die Auswirkungen von Kolonialismus und stellt die Frage nach der Gerechtigkeit von Überlebensstrategien einzelner Länder im Verhältnis zu einem globalen Wohlstand. Die drei Vögel, die das Segel umkreisen, stehen für Boghiguian für die kollektiven Bedürfnisse der Menschen nach Bewegungsfreiheit und Gemeinschaft.

Ihr ausgeprägtes Interesse für Politik, Philosophie, Literatur und Musik, dem Anna Boghiguian auf ihren ständigen Reisen durch die Welt nachgeht, haben sie zu einer kritischen Beobachterin gemacht. Ein wiederkehrendes Motiv in ihren Künstlerbüchern, Collagen und Installationen, das sie auch in der Arbeit Handel + Vögel mehrfach abbildet, ist die Zeichnung einer Ohrmuschel.

Boghiguian unterscheidet das metaphysische Ohr, mit dem wir unsere innere Stimme hören, vom physischen Ohr, das die Kommunikation mit unserer Umwelt ermöglicht. Sie bezieht sich hier auf den Psychiater Carl Gustav Jung (1875–1961) und dessen Vorstellung, dass der Mensch seine Umwelt benutzt, um die Innenwelt und das Unbewusste besser zu verstehen. Das Unbewusste definiert Jung als das kollektive Erbe der Menschheit. Boghiguian lädt uns zum aufmerksamen Zuhören ein, denn die Politik und Korruption unserer Zeit sind häufig eine Reflexion der antiken Geschichte.