Kiki Kogelnik, die vor fast genau zwanzig Jahren, am 1. Februar 1997, starb, inszenierte ihr artifizielles Erscheinungsbild als Teil einer komplexen künstlerischen Gesamtstrategie, die ihren Fokus auf die untrennbare Verbindung von Leben und Kunst legte. Die vielseitige, wandlungsfähige Künstlerin stellte das performative „self-imaging“ und „self-fashioning“ wie selbstverständlich neben ihre künstlerische Arbeit, die sich explizit nicht auf Disziplinen oder Kategorien reduzieren lässt. „Kiki is an original. Her style is part bohemian, part film star, part intellectual“ konstatierte Robert Fulford 1964 im „Toronto Daily Star“.

Kiki Kogelnik, der zeitlebens jegliches Provinzielle, Chauvinistische oder Spießbürgerliche völlig fremd war, übersiedelte 1962 aus dem tristen Nachkriegseuropa in die pulsierende Urbanität der Kunstmetropole New York. 1959 hatte Kogelnik in Paris ihren charismatischen Künstlerkollegen Sam Francis kennen gelernt, der die Künstlerin überzeugen konnte, den für ihr weiteres künstlerisches Schaffen so entscheidenden Schritt zu wagen. Unter dem Einfluss der amerikanischen Pop-Art und des französischen Nouveau Réalisme und in unmittelbarer Ateliernachbarschaft von Andy Warhol, Roy Lichtenstein, Robert Rauschenberg, Jasper Johns und Claes Oldenburg am Broadway konnte Kiki Kogelnik ihrer unverhohlenen Begeisterung für den technischen Fortschritt, die Raumfahrt und Warenwelt nahezu uneingeschränkt mit einer fast kindlichen, lustvollen Neugier frönen.

Gesellschaftspolitisch fragwürdige Aspekte konfrontierte Kogelnik mit ironischer, auch selbstironischer Ambivalenz – man denke nur an die bunt bemalten, aus Armeebeständen ausrangierten Bombenzylinder der frühen 1960er-Jahre. Kiki Kogelniks expressiv-gestische Malweise, die abstrakt-informellen Kompositionen ihrer künstlerischen Anfangsjahre, die von einer festen Verankerung in der von Monsignore Otto Mauer geleiteten, avantgardistischen Galerie nächst St. Stephan (Rainer, Prachensky, Mikl, Hollegha, Lassnig) zeugen, wurde alsbald von einer zunehmend collage- und assemblagehaften Arbeitsweise abgelöst. Kogelnik fand zur „Space-Art“, ihrer subjektiven Variante der Pop-Art, und begann 1962 mit den „Cut-outs“ von Künstlerfreunden, lebensgroßen, aus braunem Packpapier ausgeschnittenen Figuren. 1967 entstanden daraus, über einen Kleiderhaken oder eine Wäscheleine gehängt, ihre bunten, piktogrammartigen „Hangings“ aus Vinyl. Kiki Kogelniks virtuoser Umgang mit der Schere, ihr humorvolles und unkonventionelles Spiel mit Schablonen, Silhouetten und einem sensibel konstruierten Repertoire vielseitig verwendbarer, vorfabrizierter Bild-Bausteine (Körperfragmente, Werkzeugteile, Protagonisten der Tierwelt wie Schlangen, Frösche, Ameisen oder Käfer) kulminierte schließlich in dem schöpferischen Kunstgriff des gleichsam als Krypto- oder Selbstporträt der Künstlerin lesbaren maskenhaften Gesichtes mit signifikantem zackigen Haarschopf und ausgeschnittenen, immer weit aufgerissenen Augen und Mündern, das längst zu Kiki Kogelniks unverkennbarem, symbolhaftem Markenzeichen geworden ist. In einem Tagebucheintrag vom 3. April 1975 hielt Kogelnik fest: „Sam [= Sam Francis] said some very good things about my paintings. About all of them being like a selfportrait.“ Die großformatigen Ölbilder und die auf sie rekurrierenden Siebdrucke der 1970er- und frühen 1980er-Jahre („Women´s Lib“) zeigen plakative Frauenfiguren aus der Werbe- und Modewelt in exaltierten Posen, „sophisticated, cool and unattached“. Weibliche Klischees und Schönheitsideale wurden von Kogelnik eindringlich hinterfragt, Lebenswelten und Lifestylekulissen kritisch durchleuchtet.

1974 schuf Kiki Kogelnik erste keramische Skulpturen in grellen Farben – vollplastische, bunte Frauenköpfe mit kreisrunden Augen oder Sonnenbrillen, keramische Pendants zu ihren Frauenbildern der „Women´s Lib“-Periode. „Ich habe eine große Beziehung zur Skulptur und Räumlichkeit“, bemerkte die Künstlerin 1996. Da sie das Drehen von Ton auf der Töpferscheibe nie erlernen sollte, ging Kiki Kogelnik schon relativ bald dazu über, die in ihrer Malerei bereits seit den frühen 1960er-Jahren praktizierte Verwendung von Schablonen auch für ihre keramischen Arbeiten zu adaptieren. Kiki Kogelnik rollte den Ton wie einen Lebkuchenteig auf eine Stärke von zwei bis drei Zentimeter aus und schnitt mit einem Messer die Konturen der Schablone, die sie zuvor auf den ausgewalzten Ton gelegt hatte, aus. „Masken“, Gesichter ohne Mimik, keine Porträts, sind das dominante Sujet auf ihren keramischen Bildträgern. Bunte Glasuren vollendeten schließlich die immer als Unikate ausgeführten Keramiken. In der Folge bekamen Kiki Kogelniks Bilder „Expansions“ in der Gestalt von keramischen „Falling-outs“, die Grenzen der Leinwand wurden von der Künstlerin negiert, die den Bildern inhärente Zweidimensionalität um eine dreidimensionale Komponente erweitert.

Kiki Kogelniks vielgestaltiges bildnerisches Oeuvre, das in einer den Zeitgeist und aktuelle Diskurse antizipierenden Grundhaltung mediale – Performance, Malerei, dreidimensionale Objekte – und materialästhetische Möglichkeiten – Keramik, Glas, Bronze, Vinyl – leidenschaftlich auslotete, fand seinen vielerorts geschätztesten Ausdruck in den ab 1994 in Murano entstandenen farbexpressiven, luminösen Glasköpfen der „Venetian Heads“-, „Little Heads“- und „Balloon Heads“-Serie. Mit gestalterischer Leichtigkeit transformierte Kogelnik das Wasser aus der Lagune von Venedig in unverwechselbare Glasobjekte von metamorphem Zauber, koloristischer Leuchtkraft und unnachahmlicher Eleganz respektive Transparenz der Form.

Kiki Kogelniks singuläres Gesamtwerk widersetzt sich hartnäckig jeder Kategorisierung und kunsthistorischen Etikettierung. Darob Tom Wesselmanns Conclusio: „She was not Pop, she was strictly Kiki.“