Anna Witts Einzelausstellung Radical optimism zeigt neue Arbeiten, die radikale Hoffnung als emanzipatorische Kraft und mögliche Strategie im Umgang mit Krisen und gesellschaftlichem Wandel untersuchen.
Im Zentrum steht die 2-Kanal Videoinstallation Nights of labour, die das Träumen als tief persönliche, zukunftsgerichtete Vorstellungskraft beschreibt – und als Grundvoraussetzung für gesellschaftliche Veränderung. In einem ehemaligen Produktionsraum der Hydra Werke in Berlin, einem Ort zwischen industrieller Vergangenheit und Gentrifizierung, lud Witt eine Gruppe von Menschen ein, gemeinsam zu verweilen und zu träumen.
In einem bühnenhaften Setting aus Teppich und Möbeln, das auch im Ausstellungsraum in erweiterter Form wieder aufgegriffen wird, tastet die Kamera behutsam die Beteiligten in stiller Konzentration ab, während sie mögliche Hoffnungen und Zukünfte imaginieren. Das Träumen erscheint so als intime und zugleich kollektive Handlung. Im zweiten Videokanal begegnen die gemeinsam besprochenen Träume und Ideen der Beteiligten als Voice Over dem gleichen, jetzt menschenleeren und langsam kollabierenden Raum.
Die Arbeit ist inspiriert von Jacques Rancières Nights of labor, in dem Arbeiter:innen des 19. Jahrhunderts ihre Nächte nutzten, um ihre Träume, Hoffnungen und utopischen Vorstellungen einer anderen Gesellschaft zu artikulieren – und sich so ihrer zugeschriebenen Rolle entzogen. Witt überträgt diese Geste ins Heute und fragt: Welche Räume der Imagination existieren in einer sich im Umbruch befindenden, postindustriellen Gesellschaft und einer hyperkapitalistischen Zeit, die wenig Platz für Hoffnung lässt?
In ihrer Werkreihe Crushed and melted erweitert Witt diese Fragestellung um den Aspekt digitaler Nähe und verbindet textile Collagen, eingefasst in Acrylglas, mit einer ASMR-inspirierten Soundebene. Sie thematisiert die Idee digitaler Care Communities und verweist auf die fragile Beziehung zwischen Zerstörung und Fürsorge, zwischen digitaler Intimität und emotionaler Erschöpfung. Während Crushed and melted – Running away dem Traum des Entkommens nachspürt, verweist Crushed and melted – Cruel optimism auf Lauren Berlants Konzept des „grausamen Optimismus“ – das paradoxe Festhalten an überholten Vorstellungen von einem guten Leben.
In ihrer Textarbeit Survival of the softest führt Witt diese Erkundung fort – als Plädoyer für die Widerstandskraft des Sanften.
So zeigt uns Witt in Radical optimism, wie Träumen als kollektive Handlung gesellschaftliche Vorstellungskraft öffnen und ein aktives, gemeinsames Gestalten von Möglichkeiten bedeuten kann. Indem sie Räume schafft, in denen Menschen ihre Gedanken teilen und artikulieren können, verleiht sie sowohl den beteiligen Akteur*innen als auch uns eine Stimme, die über das Hier und Jetzt hinausweist und die Vorstellung einer anderen, menschlicheren Zukunft real werden lässt.
Ein besonderer Dank an die Partizipierenden in Nights of labour: Anita Arora, Atif Muhammad, Jenna Sintic, Khalil Said, Khan Yahya, Mary Serena Brown und Rene Sotona.












