We may appear to shine alone, but our light exists only in the reflection of another. Mit ihrem metaphorischen Ansatz beschreibt die südkoreanische Künstlerin Jiyen Lee die Essenz ihrer Werkreihe Stain–rainbow forest, die zugleich titelgebend für ihre erste Einzelausstellung in der Galerie ist.

Die Auffassung, dass wir alleine zu scheinen vermögen, aber unser Licht nur im Spiegelbild eines anderen existiert, ist eine so philosophische wie poetische. Von diesem Konzept ausgehend, widmet sich Jiyen Lee der Frage, wie die Anordnung kleiner Fragmente größere, universelle Erzählungen offenbaren kann. Mit ihren Installationen und Skulpturen entwickelt sie eine künstlerische Annäherung an diese Deutung, in der sich naturwissenschaftliche und spirituelle Perspektiven überlagern.

Wie ein organischer Resonanzkörper, der auf Licht, Reflexionen und seine Umgebung reagiert, schwebt die raumgreifende und gleichzeitig ephemer anmutende Skulptur von der Decke des Ausstellungsraumes in der Domgasse. Für Jiyen Lee verbindet das Werk den Beobachtereffekt in der Quantenmechanik mit philosophischen Betrachtungsweisen des Buddhismus. So wie sich in der Quantenmechanik der Zustand eines Objekts durch die Beobachtung verändert, so variiert auch das Lichtspektrum von Stain–rainbow forest je nach Beobachter:in und der Umgebung. In der buddhistischen Lehre wird davon ausgegangen, dass alle Wesen voneinander abhängig sind und dass sich Bedeutung nur durch die Beziehungen zu anderen finden lässt. Dieses Postulat lässt sich bei Lees Arbeit beobachten, die nicht unveränderlich ist, sondern sich vielmehr permanent verändert und mit dem Licht, dem Raum und der menschlichen Wahrnehmung verwoben ist.

Für ihre installativen, raumgreifenden Objekte, setzt Jiyen Lee Technologien wie zum Beispiel die Replikation von Nanostrukturen, 3D-Druck oder Algorithmen ein. Sich diese Prozesse – auch in Zusammenarbeit mit einem Physiker – aneignend, experimentiert Lee mit fließenden und wandelbaren Formen und spielt mit dem Kontrast zur traditionellen Skulptur, in der das materielle Gewicht betont wird.

Die Skulpturen aus der Werkreihe Stain–rainbow forest sind offen für kontinuierliche Veränderungen. Für Jiyen Lee ist das Ziel ihrer künstlerischen Auseinandersetzung Skulptur neu zu denken: nicht als ein starres, statisches Material, sondern als etwas sich Entwickelndes, das sich in einer organischen Weise in Reaktion auf die Zeit und die Umgebung verwandelt.