Wanted von Nadya Tolokonnikova (geb. 1989, Norilsk, Sibirien) erforscht Kunst als eine Form des Widerstands und des Überlebens. Als Künstlerin, Aktivistin und Gründerin des feministischen Kollektivs Pussy Riot hat Tolokonnikova über ein Jahrzehnt damit verbracht, den Autoritarismus durch radikale künstlerische Ausdrucksformen herauszufordern. Für ihre konzeptuellen Performances verfolgt, erlangten Pussy Riot internationale Bekanntheit mit Punk prayer (2012), einer Protestaktion in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale, die zu Tolokonnikovas Inhaftierung in einer russischen Strafkolonie wegen „Rowdytums aus religiösem Hass“ führte. Seither nutzt sie die Kunst als Waffe gegen Unterdrückung – In Form von Performances, Installationen, Objekten und Musik. Tolokonnikova hat eine visuelle Sprache entwickelt, die sich gegen konservative Realitäten auflehnt: anarchisch, radikal und dennoch tief berührend. Im Jahr 2024 fand im OK Linz die erste museale Einzelausstellung ihres Werks statt.

Im Zentrum von Wanted steht eine Rekonstruktion von Nadya Tolokonnikovas eigener Gefängniszelle – ein beklemmender, klaustrophobischer Raum, der zwei Jahre lang den Schauplatz ihrer „dauerhaften Performance“ der Inhaftierung bildete. Innerhalb der Gitterstäbe platziert sie Briefe, juristische Dokumente, Presseberichte und Fotografien, die von den brutalen Haftbedingungen und der psychischen Belastung zeugen, denen sie ausgesetzt war.

Durch diese zutiefst persönliche und doch politisch aufgeladene Installation verwandelt Tolokonnikova ihre Erfahrung der Inhaftierung in einen Akt des Trotzes - sie gewinnt die Kontrolle über ihre Geschichte zurück und entlarvt gleichzeitig die Unmenschlichkeit des Systems, das sie zum Schweigen bringen wollte.

Ergänzt wird die Installation durch eine Reihe von Wandarbeiten, in denen Tolokonnikova Symbole des Widerstands in Kunstobjekte transformiert. Die Riot shields, traditionell als Werkzeug staatlicher Kontrolle eingesetzt, werden zu Artefakten des Widerstands umgedeutet und stellen das Machtverhältnis zwischen Autorität und Protest in Frage. Ihre Molotov kits – konzipiert als Do-it-yourself-Protestsets – bestehen aus graviertem Birkenholz, schwarzer Tinte, Weinflaschen, Styropor, Zinn und Stoff. Die Molotov Kits zeigen Gravuren von Stacheldraht und russischen Gefängniskirchen.

In ihren silbernen Gemälden erschafft Tolokonnikova ihre eigenen Ikonen, in denen sie altslawische Kalligrafie, zeitgenössische Slogans, Kreuze oder das stilisierte Gesicht einer Frau mit Balaclava vermischt und so eine neue visuelle Sprache des Dissenses schafft. In diesen Arbeiten verbindet sie religiöse Ikonografie mit revolutionärer Dringlichkeit und macht den Widerstand zugleich heilig als auch persönlich.

Als ich klein war, sagte mein Vater einmal, dass es die höchste Aufgabe eines Künstlers sei, seine eigene Religion zu erschaffen. Ich habe das sehr ernst genommen – und ich glaube, genau das tue ich seither. Deshalb seht ihr diese Symbole – oder Runen, wenn ihr wollt – die ich erschaffe. Aber statt die bereits bestehenden religiösen Symbole zu übernehmen, erfinde ich meine eigenen Zeichen, meine eigenen Kapellen. Doch ich bin im herkömmlichen Sinn keine religiöse Person – ich sammle eher Fragmente, die mich ansprechen, die ich liebe, mit denen ich mich identifizieren kann. Religiöse Menschen sprechen von der Furcht vor Gott – das erscheint mir absurd. Warum sollte ich Gott fürchten? Ich verstehe, wie man Gott lieben kann, aber nicht, wie man ihn fürchten sollte.

(Aus einem Gespräch mit Corey Seymour für die Vogue, 2024)

Im August 2022 inszenierte Nadya Tolokonnikova die Performance Putin’s ashes. Gemeinsam mit zwölf weiteren Frauen aus Russland, der Ukraine und Belarus verbrannte sie ein monumentales, drei mal drei Meter großes Porträt von Wladimir Putin in einer Wüstenlandschaft. In schwarze Seidennachthemden, zerrissene Netzstrümpfe und rote Sturmhauben gekleidet, vollzogen die Teilnehmerinnen rituelle Beschwörungen, während sie das Porträt in Flammen setzten. Die Asche wurde in kleinen Glasphiolen gesammelt und später als Reliquien ausgestellt. Die Aktion sorgte international für Aufsehen – und führte dazu, dass Tolokonnikova im September 2023 von der russischen Regierung zur meistgesuchten Verbrecherin erklärt wurde. Im Februar 2025 wurde sie schließlich auf die internationale Fahndungsliste gesetzt.

Dennoch setzt Nadya Tolokonnikova ihr künstlerisches und politisches Engagement unbeirrt fort. Ihre Arbeit versteht sie als Mittel des Widerstands gegen autoritäre Regime und als Einsatz für Freiheit und Menschenrechte. Putin’s ashes beschreibt sie als direkte Herausforderung bestehender Machtstrukturen und als symbolische Auslöschung Putins. Dabei betont sie: Kunst ist eine Waffe – und Putin eine globale Bedrohung, die sofort gestoppt werden müsse.