Auf der Frankfurter Buchmesse dauert es, bis ich mich daran gewöhne, nicht wie üblich in der Halle 5.0 oder 5.1 zu sein. Unser Gemeinschaftsstand befindet sich im THE ARTS+, einem experimentellen Bereich, der der Kunst und Innovationen gewidmet ist. Am wichtigsten ist es mir all jene Fachleute wieder zu treffen, die jährlich zur Frankfurter Buchmesse kommen. Ein wichtiges Treffen habe ich mit Felix Ernesto Hück, der der Konkurrenz mächtiger Konsortien in der Branche trotzend, seine Tätigkeit verfolgt und beharrlich darum bemüht ist, Projekten aus dem Bereich Film einen Platz auf dem europäischen Markt zu verschaffen.

Felix, du bist mit dem Online-Magazin Wall Street International, auf der Internationalen Buchmesse in Frankfurt am Main. Erzähl uns von deinen Projekten was den kubanischen Film betrifft. Wen hast du mitgebracht und was ist deiner Meinung nach das Besondere am kubanischen Kino? Sind es die Orte, die Themen oder die Skripte?

Gute Fragen um in endlose Diskussionen zu verfallen. Aber um meine Präsenz hier zu erklären: Auf die Frankfurter Buchmesse bringe ich Eduardo del Llano. Als Drehbuchautor von Fernando Pérez, Daniel Díaz Torres und Gerardo Chijona bekannt, ist er aber auch Autor zahlreicher Kurzgeschichten und Regisseur eigener Produktionen, die er durch seine Firma Sex Maschine realisiert. Eduardo del Llano begann als Kunsthistoriker, wurde Schriftsteller und findet nun seinen Weg als Filmregisseur. Ich finde auch meinen Weg, von der Bildenden Kunst und den Philologien zur Kulturvermittlung. Denn es besteht ein Bedarf daran sowohl, das Bedürfnis bei Menschen das Interesse an bestimmten Künstlern zu wecken, die sie sonst kaum kennen lernen würden.

Aber – um die weniger ermutigende Seite zu erwähnen – es ist eine mühsame Arbeit ihre Werke auf die europäischen Märkte zu bringen. Content-Märkte sind hier seit langem etabliert und verlangen kontinuierlich neue Inhalte, vorzugsweise jedoch aus den selben Quellen. Die Produktionszyklen und Vertriebskanäle funktionieren hier sehr gut und um den Anforderungen des Marktes zu entsprechen und Inhalte zu platzieren ist sehr schwierig. Es ist daher notwendig, über die etablierten Märkte, die nur bestimmte kulturelle und sprachliche Regionen abdecken, hinauszugehen, Umwege zu nehmen und Unerwartetes zu entdecken. Deutschland ist weit weg von Lateinamerika entfernt – und seit dem Fall der Mauer hat sich die Aufmerksamkeit hier gen Osten verlagert – aber wenn ich zur Frankfurter Buchmesse komme, verkürzt sich die Entfernung plötzlich. Ich treffe die Menschen aus der Verlagswelt und bekomme den Ansporn, die schwierigen Aufgaben zu bewältigen, die Verbindung zu Lateinamerika aufrechtzuerhalten und die Entwicklungen zu beobachten. Da sehe ich die Notwendigkeit sich im kulturellen Bereich zu engagieren. Für das kubanische Kino habe ich eine besondere Leidenschaft. Unter den vier wichtigsten Filmindustrien Lateinamerikas hat Kuba die jüngste. In jüngster Zeit machen jedoch auch Länder von sich Reden, die wenig für ihre Filmindustrie bekannt sind, zum Beispiel die Dominikanische Republik, von der es in diesem Jahr jedoch keine Verlage hier auf der Messe gibt.

Ist die Frankfurter Buchmesse überhaupt ein Treffpunkt für Filmregisseure aus Lateinamerika?

Die Frage ist berechtigt, weil Film meist am Ende der Verwertungskette einer Geschichte steht. Im Fall von Eduardo del Llano, einem Autor aus Kuba, das in diesem Jahr als Land nicht anwesend ist, gilt es, ihn auf dieser Messe zu vertreten. Eduardo del Llano ist in vielerlei Hinsicht vielversprechend, er ist ein erfahrener Drehbuchautor, beherrscht den komischen Dialog, und wurde als Autor von Erzählungen bisher nur zum Teil übersetzt, ins Italienische zum Beispiel. Erwähnenswert ist hier, dass auch die italienische Filmkomödie für die Tradition des kubanischen Kinos wichtig ist – so wie der Neorealismus – und auch diese dient Eduardo als Inspirationsquelle, obwohl seine Geschichten sich mit sehr kubanischen Themen befassen.

Mit seiner Erfahrung in Film und seine Nähe zu den hochkarätigen kubanischen Schauspielern wie Luis Alberto García – der Protagonist in Cuentos de Nicanor O'Donnell – Vladimir Cruz, Laura de la Uz, Mirta Ibarra und Jorge Perugorría, sie alle haben in einer oder zwei der dreizehn Episoden der Cuentos de Nicanor O'Donnell ihren Auftritt, bietet Eduardo viel Potenzial in verschiedenen Bereichen. Zweifelsohne ist die Frankfurter Buchmesse für Verleger, Agenten und Übersetzer, die alle von einem Termin zum nächsten eilen. Doch hier in der Halle 4.1, im Bereich THE ARTS +, sind auch Bilddatenbanken, Zeitungen, Zeitschriften, 3D-Druckservices, sowie Rundfunk- und Fernsehsender präsent. Diese Messe bietet auch Platz für all jene, die spezielle Dienstleistungen anbieten, insbesondere im digitalen Bereich, da die Optimierung der Produktionsketten, die Umwandlung von Inhalten und die Verwaltung von Daten spezielle Software erfordert. Mit Eduardo del Llano sind wir hier in einem Bereich mit dem Berlinale Filmmarkt, dem Digitalisierungsservice von Google Arts und dem Taschen-Verlag, der auf Kunstbücher spezialisiert ist.

Erkennst Du seit deinem ersten Besuch auf der Frankfurter Buchmesse Trends?

2011, das Jahr, in dem der Literatur-Nobel-Preis an Mario Vargas Llosa ging – es geschah während der Messe; seinen spanischen Verlag freute dies sehr, während die peruanischen Verlage plötzlich der internationalen Presse etwas zum jenem peruanischen Autor sagen mussten –, war Argentinien Ehrengast und Lateinamerika erhielt viel Aufmerksamkeit. Ein Zufall? Auf der Frankfurter Buchmesse war darüber hinaus das E-Book ein wichtiges Thema mit einer Vielzahl an Ausstellern, die auf die Konvertierung und Bereitstellung von Inhalten für digitale Endgeräte spezialisiert sind. Sechs Jahre später sind die Themen ganz andere. Die Verlage haben mit Themen der Digitalisierung, Bereitstellung von Inhalten und Standards für den Schutz gegen Piraterie abgeschlossen. Die Themen, die die Buchmesse aufwirft konzentrieren sich vor allem auf den jeweiligen Ehrengast. Andere Institutionen bereiten das ganze Jahr über Ausstellungen, Lesungen und Filmprogramme.

So wird die Öffentlichkeit vorbereitet und die Inhalte der Länder ansprechend vermittelt, manchmal Länder die so viel Aufmerksamkeit hier selten erhalten. 2015 war Indonesien Ehrengast, 2016 Flandern und die Niederlande als ein Sprachraum, 2017 Frankreich. 2018 ist es Georgien. Spanien ist 2021 Thema. So werden die Trends weit im Voraus gesetzt. Aber es gibt auch aktuelle Themen, etwa die Unabhängigkeit Kataloniens – ein Sprachraum der durch das Institut Ramón Llull eine bedeutende Präsenz in Frankfurt hat –, die plötzlich wichtig werden und die auch für Veränderungen in der Kulturpolitik sorgen über die man sich hier austauscht. Denn die Frankfurter Buchmesse ist auch ein Ort politischer Debatten. Neben den hohen Vertretern aus Politik, die in der Regel abgeschirmt bleiben und die Ansprachen zur Eröffnung halten, kommen auch Vertreter politischer Bewegungen und Sprecher politischer Parteien unterschiedlicher Lager zu Wort, die nur einen gewissen Schutz, etwa durch ihre Popularität, genießen.

Spielst Du auf die Auseinandersetzungen mit rechtsextremistischen Populisten an, die während des dritten Tages der Buchmesse stattfanden?

Ja, die Frankfurter Buchmesse ist, wie gesagt, auch ein Ort politischer Debatte, aber es artikulieren sich auch Rechtspopulisten in Deutschland, was auch internationale Aussteller stört. Ich sehe, dass die Frankfurter Buchmesse bemüht ist, diesen als einen Ort der Vielfalt und des Austauschs hochzuhalten, aber wer bedroht und gerade diesen Anspruch der Buchmesse nicht respektiert, dem sollte keine Bühne geboten werden.

Was empfiehlst du Verlegern aus Lateinamerika, die auf die Frankfurter Buchmesse kommen möchten?

Warm anziehen! In jeder Hinsicht. Im Oktober haben wir hier Herbstwetter und lateinamerikanische Autoren sind von mächtigen internationalen Verlagen vertreten, die internationale Rechte kaufen und so auch den lateinamerikanischen Buchmarkt dominieren. Um auch die Vielfalt in diesem Bereich zu erhalten, bietet die Frankfurter Buchmesse attraktive Programme für die Verlage, die für sich selbst entschieden haben gegenüber den Großen zu bestehen und ihr regionales Kulturerbe aus sich heraus zu erhalten und zu verbreiten, gerade diese können vom Kontakt mit anderen Sprachregionen profitieren. Diese Verlage würden es ohne diese Programme nicht nach Frankfurt ziehen. Das – gepaart mit Ausstellern zu gegenwärtigen Phänomenen in verschiedenen Bereichen – macht, neben dem Lizenzhandel, die Frankfurter Buchmesse besonders attraktiv.

Felix, ich danke dir für diese Einblicke. Auf der Frankfurter Buchmesse ist Georgien 2018 Ehrengast und…

… und ich werde jetzt schon einige Kurzfilme von Eduardo auf Georgisch untertiteln lassen. Denn es würde mich interessieren, ob man Humor und gewisse Gemeinsamkeiten mit Kuba allein schon durch sprachliche Vermittlung übertragen kann. Übersetzer in die georgische Sprache und Interessierte lade ich an dieser Stelle herzlich auf den offiziellen Youtube-Kanal von Eduardo del Llano ein, dort kann man auch mit Übersetzungen von Untertiteln einen Beitrag zur eigenen Sprache leisten. Und wer sich für Film und Kuba interessiert, soll bereits Ende Mai 2018 nach Frankfurt kommen, zum Festival Cuba im Film.

Eine gute Idee Felix. Und der kommende Termin für Verleger und Lizenzhändler in Frankfurt ist vom 10. bis 14. Oktober 2018.

Frankfurter Buchmesse 2017 : Interview mit Eduardo del Llano (Cuba), Cineast und Autor